Über das Intrigieren fremder Wörter

In Gelsenkirchen gibt es nicht bloß Schalke, sondern auch ein Amphibientheater. So sagt meine Nachbarin Frau Jackmann, und die muss es wissen. Meine Bemühungen um die deutsche Sprache seien zwar ehrenvoll, sagt sie, aber letztlich doch eine Syphilisarbeit.

„Konkurenz ist für uns ein Fremdwort“, steht im Schaufenster eines Berliner Textilgeschäfts zu lesen, und man glaubt es dem Besitzer sofort, wenn man berücksichtigt, wie er das Wort „Konkurrenz“ geschrieben hat. Weniger glaubhaft ist die Anzeige eines Regalherstellers, in der behauptet wird: „Ästhetik trifft Inteligenz“.

Fremdwörter stellen uns immer wieder vor besondere Herausforderungen. Man kann sie verkehrt buchstabieren, ihre Bedeutung missinterpretieren, sie falsch aussprechen (viele Menschen brechen sich regelmäßig bei dem Wort „Authentizität“ die Zunge, sodass oft nur „Authenzität“ herauskommt) – und vor allem kann man sie leicht verwechseln. Während der Fußball-WM hörte und las man häufig das Wort „Stadium“, wenn „Stadion“ gemeint war. Einmal stolperte ich auch über das Wort „Erfolgscouch“. Das war allerdings nicht in einem Ikea-Katalog, sondern in einem Bericht über den erfolgreichen Coach der Schweizer Nationalmannschaft.

Meine Freundin Sibylle ist im Verwechseln von Fremdwörtern eine wahre Virtuosin. Sie würde vermutlich sagen: eine Virtologin. Wo ich „euphemistisch“ sage, sagt sie „euphorisch“. Wo ich konzentrische Kreise sehe, sieht sie „konzentrierte Kreise“. Und wenn ich Sibylle von einem „Astralkörper“ schwärmen höre, weiß ich, dass ich an einen Alabasterkörper denken muss. Immer wieder bringen sie die verflixten Fremdwörter „in die Patrouille“. Von ihrem Onkel, der wie ein Eremit in seinem Häuschen in der Toscana lebt, behauptet sie hartnäckig, er lebe wie ein Emerit. Und über sich selbst sagt sie, dass sie hin und wieder etwas „implosiv“ reagiere. Schon als Kind sei sie „ziemlich resistent“ gewesen. Ich weiß nicht, wie Sibylle als Kind war, aber ich vermute, sie meint „renitent“. Da fällt mir Jörg Pilawa ein, der in einer NDR-Talkshow die Sängerin Gitte Haenning fragte: „War das nicht eine Zensur in deinem Leben?“

Auch meine Nachbarin Frau Jackmann streut gern mal das eine oder andere exotische Wort in ihre Rede ein. Nach dem Einzug eines neuen Mieters war sie stundenlang damit beschäftigt, die Fußabdrücke im Treppenhaus zu beseitigen, die er mit seiner „Dispositionsfarbe“ gemacht habe. Und überall flogen diese „Stereopur-Flocken“ herum! Ihrem geplagten Rücken zuliebe geht sie einmal pro Woche zum Masseur, der sie mit „esoterischen Ölen“ einreibt. Außerdem nimmt sie jetzt regelmäßig Kalziumtabletten ein, das sei gut gegen „Osterpörose“.

Verwechselte Fremdwörter findet man ständig und überall. Ein Klassiker sind die „karikativen Zwecke“, die den karitativen Spendenaufruf zur sprachlichen Karikatur werden lassen. Einen besonders gemeinen Stolperstein stellt auch das Wort „integrieren“ dar. Auf der Homepage der Fernsehsendung „Big Brother“ las man über die unglückliche Teilnehmerin Manuela: „Sie hofft, dass sich das Verhältnis in Zukunft bessern wird und sie sich mehr und mehr ins Team intrigieren kann.“ Wenn hier nicht „integrieren“ gemeint war, dann hätte der Satz anders aufgebaut werden müssen: „… und sie mehr und mehr im Team intrigieren kann.“ Von Sparta auf die Sporaden verirrt hatte sich jener Autoredakteur, der über die Ausstattung des neuen Dodge Viper schrieb, sie sei „alles andere als sporadisch“. Solange nur der Redakteur vom Kurs abkommt und nicht das Auto, mag’s ja noch gehen.

In Bayern hingegen scheinen die Dinge völlig aus dem Ruder zu laufen, da werden öffentlich Götzen angebetet. Als in der Gemeinde Gilching im November 2005 ein sogenannter Friedenspfahl aufgestellt wurde, meldete die Lokalausgabe der „Süddeutschen Zeitung“: „2,20 Meter hoher Basilisk in Gilching eingeweiht.“ Ein Basilisk ist (wie jeder „Harry Potter“-Leser weiß) ein mythisches Schlangenwesen. Vielleicht hatte die Redakteurin am Vorabend einfach zuviel Basilikum gegessen, jedenfalls kam sie nicht auf das Wort Obelix – pardon: Obelisk.

Gelegentlich bildet die Volksetymologie aus deutschen Bausteinen fremd anmutende Wörter. Einmal brannte in Hamburg-Tonndorf ein Imbiss ab. Schuld war der Wrasenabzug. Das Wort „Wrasen“ ist norddeutsch und bedeutet Dunst. Die Tonndorfer Feuerwehr hat ein griechisches Wort daraus gemacht, denn in ihrem Bericht konnte man lesen: „Das Feuer war über den Phrasenabzug des Hähnchengrills in den Zwischendeckenraum gelaufen und hat dort durchgezündet.“ Von einer solchen Vorrichtung können Sprachpfleger nur träumen! In meinem nächsten Leben werde ich Imbissbudenbesitzer!

Der Umgang mit Fremdwörtern verpflichtet uns freilich nicht zu größerer Sorgfalt als der Umgang mit dem Vokabular unserer Muttersprache. Fehler mit Fremdwörtern sind nicht schlimmer als Fehler mit deutschen Wörtern. Sie sind nur oft komischer.

Wenn zum Beispiel eine Agentur für Medien und Marketing in einem Pressetext behauptet, 42 Prozent der Deutschen fürchteten eine Rezension. So viele Schriftsteller – und nur ein Marcel Reich-Ranicki? Wie soll der das bloß schaffen? Oder wenn man über einen verfolgten Autor lesen muss, dass er „in erster Distanz freigesprochen“ worden war.

Als vor ein paar Jahren der Rinderwahn umging, erzählte ich Sibylle, dass man im Bioladen bei mir um die Ecke „Götterspeise ohne Gelantine“ bekommen könne. Da brach sie in schallendes Gelächter aus und verbesserte mich: „Das heißt Gelatine!“ – „Tatsächlich? Dann habe ich dem Knochenpulver mein Leben lang zu viel Galanterie beigemischt.“ – „Siehst du, auch dir passiert mal ein Flapsus“, stellte Sibylle mit Genugtuung fest. „Gegen Irrtümer ist niemand gefeit!“, pflichtete ich ihr bei. „Stimmt“, erwiderte Sibylle vergnügt, „nicht mal eine Konifere wie du!“

Quelle: Spiegel.de (von Bastian Sick)

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